Bildungsbericht 2024

– ungerecht, unterfinanziert, mangelndes Personal
Deutschland eher Quali-Versager als europameisterlich –

20. Juni 2024. Endlich ein großes Fußballturnier im eigenen Land, Sommermärchen, Daumen drücken, mitfiebern. Vor allem nicht über Probleme, Sorgen und Belastungen nachdenken. Vielleicht wurde deswegen der Bericht „Bildung in Deutschland“ 2024 gerade jetzt veröffentlicht. Erneut konstatiert ein Bericht die gravierenden Mängel im Bildungssystem und in der Bildungsgerechtigkeit – ungerecht, unterfinanziert, viel zu wenig Personal – ein System am Anschlag!

Die empfohlenen Maßnahmen vor allem im Schulbereich finden sich nahezu durchweg auch im Positionspapier des LandesElternRates Sachsen (LER) wieder. Besseres Ausnutzen von Potentialen bei der Lehrkräftegewinnung z.B. durch zugewanderte Lehrkräfte, vereinfachte Anerkennung von Abschlüssen, Entlastung von Lehrkräften von z.B. administrativen Aufgaben – Stichwort multiprofessionelle Teams -, Ausbau der frühkindlichen Bildung und eben auch mehr Geld!

Und wieder einmal besonders ernüchternd die Befunde zur Bildungsgerechtigkeit„2022 war fast jede 3. minderjährige Person von mindestens einer von 3 Risikolagen betroffen“ (i) geringes kulturelles Kapital der Eltern, (ii) geringer sozioökonomischer Status der Eltern und (iii) Armutsgefährdung. „Der Bildungserfolg hängt weiterhin erheblich mit der sozialen Herkunft zusammen“ – seit 2006 nahezu unverändert. Das deutsche und sächsische Bildungssystem wird dem Anspruch einer chancengerechten Bildung für ALLE Kinder nicht gerecht!

Über Jahrzehnte wurden in Sachsen nahezu ausschließlich Gymnasien gefördert und die Oberschulen vernachlässigt. Jede 8te Stunde in Oberschulen fällt aus. Mangel an Lehrkräften, Ressourcen und Räumen ist eher Alltag als Ausnahme. Wir sehen eine Häufung von Herausforderungen durch Integration, Inklusion und sozioökonomische Faktoren. In Konsequenz melden Eltern in den Ballungsräumen ihre Kinder zu über 60% in Gymnasien an. Wenn Schülerinnen und Schüler dann nach Klasse 5, 6 oder 7 auf die Oberschule wechseln, gilt hier die Klassenbildungsverordnung NICHT mehr, das bedeutet, dass Förder- und Inklusionsbedarfe bei der Klassenbildung nicht berücksichtigt werden müssen. Klassen werden „vollgestopft“, Kinder haben schlechte Lernbedingungen. Der LER hat dies bereits in seinem Positionspapier thematisiert und fordert die Berücksichtigung des Förder- und Inklusionsbedarfs für alle Klassenstufen sowie eine Anhebung der Indexierung.

In Leipzig sind beispielsweise im letzten Jahr über 500 Schülerinnen und Schüler vom Gymnasium auf die Oberschule gewechselt. Das sind mehr als 17(!) Klassen, die weder in den Kapazitätsplanungen noch in der Schulnetzplanung berücksichtigt wurden. Hier fordern wir eine vorausschauende Planung der Schulnetze und die Berücksichtigung der Kapazitäten, räumlich und personell.

Der Bildungsbericht legt den Finger noch in eine andere Wunde. In „2022 verließen zudem bundesweit wieder mehr Jugendliche die Schulen ohne Abschluss“In Sachsen knapp jedes 10te KindWir sind auch in dieser „Ungerechtigkeitsstatistik“ auf den vorderen Plätzen. Wir fordern „Jedes Kind ein Abschluss“. Dass eine so reiche Gesellschaft wie die unsere nicht in der Lage ist, den Kindern mit Unterstützungsbedarfen angemessen zu helfen, ist ein Armutszeugnis, mehr als beschämend und schadet letztlich unserer Gesellschaft, der Fachkräfte und Potentiale verloren geht.

Kinder mit Unterstützungsbedarfen, die das Klassenziel nicht erreichen, verlassen nach Ende des 9. Pflichtschuljahres die Schule TROTZ der Tatsache, dass sie keinen Abschluss haben. „Dank“ der Änderung einer Verwaltungsvorschrift in Sachsen gelten auch das zusätzliche Schuljahr zum Nachteilsausgleich bei Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) und freiwillige Wiederholungsjahre in der Grundschule als Pflichtschuljahre. Konsequenz: Kinder in der 7. Klasse verlassen die Schule ohne Abschluss und ohne realistische Bildungsperspektive. 

Wir fordern, dass wenigstens das LRS-Jahr nicht als gezähltes Pflichtschuljahr gilteinen Ausbau von zielgerichteten Begleitangeboten, eine Stärkung praktischer Lernformen und mehr Unterstützung für diese Kinder mit großen Herausforderungen z.B. durch ein gestrecktes Berufsvorbereitungsjahr. Jedes Kind sollte bis Vollendung des 18. Lebensjahres die Möglichkeit haben, einen Schulabschluss an der Regelschule zu machen, so er oder sie denn möchten.

Bleibt nur zu hoffen, dass unsere Fußballer es besser machen, aus den Niederlagen der letzten Turniere gelernt haben und lange im Turnier bleiben. In der Bildungspolitik scheint die Lernkurve, wenn überhaupt, eher nur minimal anzusteigen.Abschließend möchten wir ganz herzlich allen Schülerinnen und Schülern zum Schuljahresende gratulieren, eine schöne und erholsame Ferienzeit wünschen oder viel Erfolg auf den Wegen nach der Schule. Wir als LER bedanken uns bei allen engagierten und interessierten Eltern und wünschen auch Ihnen eine gute Ferienzeit zum Krafttanken und Durchatmen. Wir werden auch im neuen Schuljahr für Ihre Interessen und die unserer Kinder kämpfen.