Anzahl der Ausfallstunden ist katastrophal und untergräbt die Bildungsgerechtigkeit in Sachsen

11. April 2024. Die Menge an Ausfallstunden in den öffentlichen Schulen im Freistaat Sachsen ist erneut gestiegen und hat längst ein katastrophales Ausmaß erreicht. Insbesondere an Ober- und Förderschulen fällt im Mittel mehr als jede 8te Unterrichtsstunde aus. Hinzu kommen Vertretungsstunden, die auch nur bedingt als regulärer Unterricht gelten können. Einzelne Fächer können zum Teil nicht mehr sinnvoll abgedeckt werden, fallen wochen- oder monatsweise ganz weg und können beispielsweise als Prüfungsoption für Schülerinnen und Schüler an Oberschulen nicht angeboten werden. Wenn man nun gerade in Physik besonders gut ist, aber das Fach auf Grund des Mangels nicht geprüft wird, hat man schlicht Pech. Von einer chancengerechten Bildung für alle Schülerinnen und Schüler kann man unter diesen Umständen nicht mehr sprechen. Die individuellen Bildungschancen unserer Kinder hängen von der Schulform, dem Wohnort oder schlicht dem Zufall ab.

Die Herausforderungen des fehlenden Personals in Schule sind nicht neu. Seit mehr als 10 Jahren weisen Elternvertreterinnen und Elternvertreter aus ganz Sachsen immer wieder auf die Missstände hin (Artikel KER Leipzig). Zudem ist eine weitere Verschärfung der Situation in den nächsten Jahren zu befürchten. In Sachsen weist die Altersstruktur bei Lehrkräften eine starke Schieflage auf. Auf der einen Seite sind über 6200 Lehrkräfte älter als 60 Jahre, auf der anderen Seite weniger als 2700 jünger als 30 Jahre. Besonders massiv trifft diese Schieflage auf den ländlichen Raum. Im Kreis Görlitz ist Stand jetzt die Anzahl an Lehrkräften oberhalb 60 Jahren mehr als 5mal so groß wie im Altersbereich jünger 30.

Wir brauchen dringen mehr Lehrkräfte und Menschen in unseren Schulen. Multiprofessionelle Teams, Assistenzen, Schulsozialarbeiter, Hilfskräfte für Verwaltung, Techniksupport und Schwimmbegleitung können Lehrkräfte entlasten. Außerschulische Partner und Fachleute können unterstützen und ergänzen. Wir müssen unsere Lehrpläne hinterfragen und entschlacken, flexible Lösungen ermöglichen und Freiräume schaffen. Wir müssen Anreize setzen und Barrieren reduzieren z.B. bei der Anerkennung von Abschlüssen aber auch bei der Ausbildung der Lehrkräfte. Neue Wege wie die duale Ausbildung von Lehrkräften sind zu erproben. Mit Verwunderung haben wir als LER die Antwort auf unsere Nachfrage nach Seiteneinsteigern für das 2te Halbjahr 23/24 zur Kenntnis genommen: „Insgesamt haben sich 730 Personen als Lehrkraft im Seiteneinstieg beworben. Bisher wurden 122 geeignete Lehrkräfte im Seiteneinstieg in den Landesschuldienst übernommen“ Das sind weniger als 20%.

Mit einem Augenzwinkern könnte man vorschlagen die grundständig ausgebildeten Lehrkräfte in Landesamt und Ministerium tageweise in unsere Schule zu delegieren. Diese erfüllen hoffentlich die eigenen hohen Anforderungen und entlasten konkret die Schulen vor Ort.