Dresden, 21. März 2025 –Landeselternrat äußert sich zum geplanten Maßnahmenpaket.
Die Problemstellung
Aktuell besuchen rund 450.000 Schülerinnen und Schüler die öffentlichen Schulen in Sachsen, während dem System mindestens 1.400 Vollzeit-Lehrkräfte fehlen. Trotz aller Bemühungen der Lehrkräfte ist dieser Ist-Zustand nicht mehr allumfänglich zu kompensieren.
Dies führt bereits jetzt zu massiven Unterrichtsausfällen, insbesondere an Förder- und Oberschulen, wo der planmäßige und außerplanmäßige Unterrichtsausfall bis zu 38 % im sachsenweiten Durchschnitt beträgt. Besonders betroffen sind die peripheren Regionen und die MINT-Fächer, in denen langfristige Ausfälle nicht mehr ausgeglichen werden können.
Bewertung der Maßnahmen
Einige der vorgeschlagenen Maßnahmen zur Unterrichtsabsicherung stellen gute erste Schritte dar, jedoch bleibt man in einigen zentralen Punkten hinter den gestellten Anforderungen zurück.
Die Maßnahmen lösen das Problem des Lehrkräftemangels nicht nachhaltig, sondern verschieben es durch Mehrbelastung der vorhandenen Lehrkräfte nach hinten und suggerieren den Umstand einer zu geringen Leistungsbereitschaft.
Es erfolgen viele Umschichtungen und Einsparungen, leider auch auf Kosten der Bildungsqualität.
Positiv
• Die Bereitschaft, Praxiserfahrung im Lehramtsstudium zu ermöglichen: Das zügige Heranführen von Studentinnen und Studenten an den Schulalltag ist sinnvoll und sinnstiftend. Es führt zum frühzeitigen Erleben von Berufsalltag und ermöglicht einen fließenden Übergang in den späteren Beruf. Unabdingbar für ihren Einsatz ist eine professionelle Begleitung durch die Universitäten, eine Stärkung der ihnen vorangestellten Einrichtungen der Bildungswissenschaften und eine positive Willkommenskultur in den Schulen.
• Gewinnung von Ein-Fach-Lehrkräften: Die Öffnung für Hochschulabsolventen mit einzelnen Fachqualifikationen (z. B. Musik, Kunst, Naturwissenschaften) ist ein pragmatischer Ansatz um dringend benötigtes Personal zu gewinnen.
• Ein Ausbau multiprofessioneller Teams ist angestrebt: Die Stärkung von Schulassistenz und Schulsozialarbeit kann Lehrkräfte entlasten und den Fokus auf Unterricht legen. Wir wünschen uns eine Definition, wer zu diesen professionellen Teams gehören kann. Nur so lassen sich in Folge Strukturen aufbauen.
Kritisch
• Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung durch „Vor-Griff-Stunden“
Dort sehen wir Probleme: Lehrkräfte sollen über Jahre hinweg zusätzliche Stunden leisten, die später durch Freistellungen kompensiert und „abgebummelt“ werden. Dies erhöht kurzfristig die Arbeitsbelastung, verschärft jedoch langfristig den Personalmangel, weil notwendige Neueinstellungen nicht erfolgen.
→ Besserer Ansatz: Anreize für freiwillige Mehrarbeit durch attraktive Vergütungsmodelle statt verpflichtender Mehrarbeit.
• Neuregelung der Altersermäßigung
→ Problem: Das Anheben der Altersgrenzen für Ermäßigungen (erst ab 63 statt 58 Jahren) bedeutet eine erhebliche Mehrbelastung für ältere Lehrkräfte. Wir würden es begrüßen, wenn zunächst die aktuell vom Kultus durchgeführte Arbeitszeitstudie abgeschlossen und ausgewertet wird. Sollte diese Studie das Anheben der Altersgrenze rechtfertigen, stehen wir auf einem sicheren Grund in der Argumentation dafür oder dagegen. So aber bleibt ein unausgesprochener Verdacht im Raum, den niemand möchte.
→ Unser vorläufiger Vorschlag: Flexible Modelle mit freiwilliger Mehrarbeit und Wahlmöglichkeiten für Teilzeitmodelle auf Basis der bisherigen eingeräumten Abmilderungen.
• Hybrider Unterricht
→ Problem: Hierbei handelt es sich zum jetzigen Zeitpunkt um einen sehr aufwendigen und sehr teuren Ansatz, der nur eine Ausnahmevariante für extrem benachteiligte Standorte darstellt und rechtfertigt. Bei kleinsten Gruppengrößen im gymnasialen Bereich bedarf es gleichzeitig hoch motivierter Lehrender und Lernender. Es bedürfte einer Matrix, bei der die Standorte synchron interagieren. Davon sind wir aber viel zu weit entfernt.
• Digitale Unterrichtsformate
→ Der Umgang mit diesen Unterrichtsformaten setzt den professionellen Umgang mit diesen voraus. Dieses Wissen muss langsam wachsen, sowohl auf Seiten derer, die es vermitteln als auch bei denen, die es vermittelt bekommen. Es braucht eine sachsenweit einheitliche, zertifizierte und nachvollziehbare Software, die den Inhalten unserer sächsischen Lehrpläne entspricht. Auch dann sind diese Formate nur ein Hilfsmittel und können den, durch Lehrerinnen und Lehrer gehalten Unterricht nur ergänzen aber nicht ersetzen.
Alternative Lösungen mit belegbarer Wirkung
Attraktivität des Lehrertätigkeit stärken
• Zum Beispiel durch zielgerichtete Zulagen für z.B. MINT- und Oberschullehrkräfte, um Engpässe standortbezogen auszugleichen. Wir plädieren für ein Abrücken vom Gießkannenprinzip der Sondervergütungen.
Ein bedarfsorientierter, punktgenauer Einsatz finanzieller Mittel für ein besseres Ergebnis.
• Verbesserte Arbeitszeitmodelle für ältere Lehrkräfte
Quereinsteiger gezielter qualifizieren
Fakt: Der Anteil an Seiteneinsteigern in Sachsen wächst an immer mehr Schulen. Zu viele von ihnen brechen ab, weil die pädagogische Ausbildung und Hilfssysteme nicht ausreichen.
→ Vorschlag: Berufsbegleitende, praxisnahe Programme mit Mentoren statt schneller Direkteinstieg und gezielte Anwerbung aus technischen und naturwissenschaftlichen Berufen für MINT-Fächer.
Bürokratieabbau und vermehrte Digitalisierung in Verwaltungsprozessen
Fakt: Lehrkräfte verbringen zu viel Arbeitszeit mit Verwaltungstätigkeiten.
Flexiblere Arbeitszeitmodelle
Fakt: Über 90 % der Lehrkräfte verlassen den Dienst vor der Regelaltersgrenze.
→ Vorschlag: Teilzeit-Modelle für ältere Lehrkräfte mit gezieltem Einsatz in Beratung und Mentoring sowie eine Option für flexible Sabbatmodelle, um Burnout zu verhindern.
Fazit
Das aktuelle Maßnahmenpaket enthält gute und sinnvolle Ansätze, ist aber insgesamt zu sehr auf kurzfristige Lösungen fokussiert. Der Landeselternrat fordert das Staatsministerium für Kultus auf, die Inhalte des 21 Maßnahmenpakets noch einmal zu überarbeiten.
Ronald Lindecke | Jolyn Schenderlein | Alexander Ziegler
Pressemitteilung zum Download: