Der LandesElternRat Sachsen (LER) setzt sich seit Jahren für die Interessen der Eltern von schulpflichtigen Kindern im Freistaat ein. Wir haben mit unserem Positionspapier und einer Reihe von Veröffentlichungen für das Wahljahr 2024 die Forderung nach chancengerechter Bildung klar formuliert. Darüber hinaus leistet der LER auch einen Beitrag zur demokratischen Meinungsbildung und zum gesellschaftlichen Austausch über bildungspolitische Themen. Mit dem Ziel unseren Eltern einen Überblick über die bildungspolitischen Positionen der Parteien zu geben, haben wir 10 Wahlprüfsteine zur Bildungspolitik für die Landtagswahl am 01. September 2024 an die Parteien geschickt. Wir haben dabei die Schwerpunkte unseres Positionspapieres (1) „Bildungsgerechtigkeit“, (2) „Personalsituation“, (3) „Gerechtigkeit Stadt/ Land“, (4) „Gerechtigkeit unter den Schulformen“ und (5) „Zukunft der Bildungsgerechtigkeit“ übernommen.
Wir danken den politischen Parteien für ihre Antworten und stellen diese auf unserer Homepage den interessierten Leserinnen und Lesern zur Verfügung. Die Antworten waren sehr vielfältig, zum Teil sehr ausführlich aber auch teils kurzgehalten mit einem knappen Verweis auf „etwas im Wahlprogramm“.
Im Schwerpunktthema „Bildungsgerechtigkeit“ haben wir nach Aspekten im Bildungssystem gefragt, die (a) besonders gerecht und (b) besonders ungerecht eingeschätzt wurden.
Positiv sehen wir, dass unter (a) der freie Zugang zu Bildung Konsens bei allen Parteien ist und als gerecht beschrieben wird. Darüber hinaus differenzieren die aufgezählten Aspekte der Parteien vom Zugang zu allen Schularten (CDU)über frühkindlicher Bildung (SPD), Gemeinschaftsschulen (DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen) hin zu kostenfreien Lernmitteln (AFD und BSW), Ganztagsschulen (Freie Wähler) oder Sprachförderung (FDP).
Im Bereich (b) Ungerechtigkeit konnte die CDU nichts ausmachen, sondern sieht lediglich Problemstellungen bei der Ressourcenverteilung insbesondere zwischen Stadt und Land. Bei den anderen Parteien gibt es eine Vielfalt an Themen von der frühen Trennung der Kinder in Klasse 4 (SPD) über das nicht-inklusive Schulsystem in Sachsen (BÜNDNISGRÜNEN) hin zur finanziellen Belastung der Eltern bei KiTa-Gebühren, Fahrt- und Verpflegungskosten (DIE LINKE), dem Zusammenhang von finanziellem Hintergrund der Eltern und Bildungserfolg (BSW), der Vernachlässigung von Ober- und Förderschulen (AFD) und dem geringeren Angebot zu ergänzenden Bildungsangeboten auf dem Land (Feie Wähler) sowie der sehr unterschiedlichen Ausstattung der Schulen (FDP). Einig sind sich alle Parteien, dass der Personalmangel sowie die Verteilung der Ressourcen zwischen Stadt und Land eine Herausforderung, wenn nicht gar eine Ungerechtigkeit darstellen.
Somit wundert es auch nicht, dass die aktuellen Regierungsparteien (CDU, SPD und Bündnis90/Die Grünen) sowie DIE LINKE und BSW explizit den Ausbau multiprofessioneller Teams anstreben. Generell äußern sich jedoch alle Parteien positiv in Hinblick auf ein Hinterfragen und gegebenenfalls Aufstocken des Bildungshaushalts.
Bei der Frage „Gerechtigkeit Stadt/ Land“ sind am Beispiel der Schülerbeförderung dann weniger Gemeinsamkeiten auszumachen. Während die CDU „grundsätzlich keinen Änderungsbedarf“ sieht, haben die beiden anderen Regierungsparteien (SPD und BÜNDNISGRÜNE) den Ausbau des ÖPNV mit verschiedenen Maßnahmen im Blick und sehen das Bildungsticket als wichtigen Schritt. Die aktuellen Oppositionsparteien im Landtag streben im Fall DIE LINKE einen kostenlosen ÖPNV für Schülerinnen und Schüler an und im Fall der AFD, Pilotprojekte zu alternativen Beförderungsmöglichkeiten. Beide unterstützen Schulstandorte in Wohnortnähe, um kurze Schulwege zu realisieren. Die aktuell nicht im Landtag vertretenen Parteien wollen ebenfalls mehr Angebote schaffen (BSW) bzw. setzen auf neue Konzepte wie Rufbusse, On-Demand-Verkehr und flexible Lösungen (FDP und Freie Wähler) sowie den Ausbau von Radwegen (Freie Wähler) oder digitale Lösungen (FDP).
In Bezug auf die „Gerechtigkeit unter den Schulformen“ befürworten alle Parteien die Einschätzung des LER, dass Oberschulen aktuell besonderes Augenmerk benötigen. Die angespannte Personalsituation und die Absicherung des Unterrichts werden von allen Parteien in irgendeiner Form thematisiert. Die Vorschläge zur Lösung reichen vom „Abordnen“ von Lehrpersonal (AFD) über mehr Sozialarbeiter und Schulpsychologen (Freie Wähler), dem Einstellen zusätzlicher Lehrkräfte (FDP) hin zum Stärken der Praxisberater und -beraterinnen (SPD), der Regionalisierung der Ausbildung von Lehrkräften gegebenenfalls nach Schulstufen (Bündnis 90 / Die Grünen), dem Verbessern der Berufsorientierung mit auch gewerkschaftlichen Beraterinnen und Beratern (DIE LINKE) oder auch Wertschätzung der Abschlüsse (BSW) und der Weiterentwicklung der Lehrpläne hin zu persönlichen Kompetenzen (CDU).
In diesem Kontext lohnt auch der Blick auf das Thema längeres gemeinsames Lernen. Das Konzept Gemeinschaftsschule wird von den Parteien unterschiedlich bewertet. Für SPD, BÜNDNISGRÜNE, und DIE LINKE ist die Gemeinschaftsschule ein zentrales und wichtiges Element, wenn nicht sogar der Weg zur „Überwindung“ von Grund- und Oberschulen (DIE LINKE). Hierfür sollen Barrieren reduziert und der Ausbau gestärkt werden. Im Gegensatz dazu sieht die CDU alle notwendigen Weichen bereits gestellt. Die anderen Parteien befürworten ein längeres gemeinsames Lernen bis z.B. Klasse 6 (Freie Wähler) oder Klasse 8 (AFD). Grundsätzlich wollen AFD, FDP und Freie Wähler aber am gegliederten Schulsystem festhalten und das BSW sieht die Verantwortung zur Absenkung von Hürden im Kultusministerium
Wir als LER fanden die Antworten sehr spannend und interessant und freuen uns darauf die vielfältigen Versprechen und auch sicher nicht immer kostenneutralen Ankündigungen nach der Wahl bei den zukünftig regierenden Parteien abzufragen oder einzufordern.